Wohlfühlglück: Die Schokoladenseite des Lebens

Jeder hat sein eigen Glück unter den Händen, wie der Künstler die rohe Materie, die er zu einer Gestalt umbilden will. Aber es ist mit dieser Kunst wie mit allen; nur die Fähigkeit dazu wird uns angeboren, sie will gelernt und sorgfältig ausgeübt sein.

Johann Wolfgang von Goethe

Die Positive Psychologie ist die Wissenschaft des gelingenden Lebens - auch Eudaimonia genannt – und wird als Glücksforschung beschrieben. Glück lässt sich dabei grob aufteilen in das Wohlfühlglück (hedonic happiness) und das Werteglück (eudaimonic happiness). [1] Ersteres möchten wir hier in diesem Artikel in den Fokus rücken.

Wohlfühlglück wird auch als subjektives Wohlbefinden oder hedonisches Glück bezeichnet. [2] Dies bedeutet, dass es eine hedonistische Tradition hat, also dass es genussorientiert ist. Erfahrungen wie Genuss, Wohlbefinden, angenehme Gefühle, das angenehme Leben, positive Emotionen lassen sich hierzu zählen. [1] Der Fokus des hedonischen Glücks liegt nicht allein auf spezifischen Ereignissen sowie der Anwesenheit positiver Gefühle und der Abwesenheit von Schmerz, sondern eher auf einer Balance, einem „bunten Gefühlsmix“ [3]. Denn würde man nie negative Gefühle erleben, dann würden auch die angenehmen Gefühle nicht mehr wahrgenommen und geschätzt werden. [4]

Werteglück auf der anderen Seite bezieht sich auf persönliche Erfüllung und Zufriedenheit, [1] es umfasst mehr den Inhalt des eigenen Lebens und die sechs damit verbundenen Prozesse: positive Beziehungen, Autonomie, Kompetenz, Selbstakzeptanz, Sinnerleben und persönliches Wachstum. Eudaimonisches Glück lässt sich mit dem Ausdruck „das Gute Leben" umschreiben.

Während Werteglück „das Gute Leben“ beschreibt, ist Wohlfühlglück doch eher „das Angenehme Leben“. Es besteht darin, angenehme Gefühle zu suchen und Schmerz zu vermeiden. Wir erleben Wohlfühlglück, wenn wir Tätigkeiten ausführen, die uns wohltun und gefallen. Ein warmes Bad, das Betrachten eines Sonnenuntergangs, ein entspannter Spaziergang oder Stadtbummel, gutes Essen, das an den letzten Urlaub erinnert ... all dies beschreibt Momente des Wohlfühlglücks. [1]

Historischer Einblick

In der Nikomachische Ethik, eine der drei bedeutendsten Schriften Aristoteles, weist er das Prinzip des Hedonismus zurück. Er beschreibt das angenehme Leben als höchstes Ziel im Leben. Glück allgemein ist für ihn die „natürliche Konsequenz eines guten Lebens, das sowohl Charakter als auch Handeln umfasst und menschliche Existenz verwirklicht“. [6] Nach Aristoteles sei „das glückliche Leben ein lustvolles Leben [ist], und man verflicht die Lust mit dem Begriff des Glücks […], denn keine Form der Aktivität ist vollendet, wenn sie sich nicht ungehindert entfalten kann. […] Daher braucht der Glückliche auch die Güter des Leibes und die äußeren, die Güter des freundlichen Zufalls [...].“ [6]

Hedonismus alleine stehend reichte Aristoteles nicht aus. „Zu einem gelingenden Leben gehört nicht nur, dass wir uns gut fühlen, sondern ganz wesentlich ist auch, dass wir Sinn erfahren. Sinn entsteht, wenn wir ein sinnerfülltes Leben im Einklang mit unseren Wertvorstellungen leben“. [7] Er weist das Prinzip des Hedonismus zurück, denn „er beschreibt Menschen, die dem angenehmen Leben nachjagen, als Sklaven und vergleicht sie mit grasenden Tieren. Für Aristoteles besteht Erfüllung darin, moralische Werte zu verwirklichen und ein gutes, das heißt tugendhaftes und wertvolles, Leben zu führen“. [8] Außerdem wäre ihm das Glück nicht vollkommen, wenn es ihr an Lust fehle, schließlich sind beide miteinander „vermischt“. [9]

Glück ist letztlich als ein Begriff denkbar, der auf die Lust im Sinne von Lebensfreude und Wohlergehen Bezug nimmt. [10]

Wohlfühlglück

Das Wohlfühlglück hat eine kognitive und eine emotionale Komponente.

Die kognitive Komponente ist die Lebenszufriedenheit. Diese umfasst unsere Einschätzung davon, wie zufrieden wir mit unserem bisherigen Leben und unseren Lebensbedingungen sind, ob wir im Nachhinein alles wieder so entscheiden würden, ob wir die wesentlichen Dinge erreicht haben, die wir uns wünschen und wie nahe unser Leben dem persönlichen Ideal ist.

Die emotionale Komponente besteht aus dem Verhältnis unserer positiven und negativen Emotionen. Dabei geht es nicht darum, dass es ein Ziel ist keine negativen Gefühle mehr zu haben, sondern den negativen Gefühlen das „Negative“ zu nehmen. Negative Gefühle zu haben und zuzulassen sind wichtig für die psychische Gesundheit, da es deren Aufgabe es ist uns gezielte Informationen zu unseren Bedürfnissen zu geben um uns letztendlich nur zu beschützen. Dennoch ist unser Glück höher, wenn wir mehr positive als negative Gefühle in unserem Alltag erleben. Man kann hier zweifach ansetzen. Eine Möglichkeit ist es, den negativen Gefühlen nicht so viel Raum zu geben. Häufig ist das aber gar nicht so einfach. Die zweite Möglichkeit ist es, aktiv für mehr positive Gefühle zu sorgen. Eine Möglichkeit hierfür ist der Positive Tagesrückblick, welcher in der anschließenden Übung vorgestellt wird. [3]

Wohlfühlglück allein reicht nicht aus

In moderner Zeit wird der Begriff des Glücks zusehends stärker vom Positiven bestimmt, vom Angenehmen, von Lüsten, von guten Empfindungen, vom Wohlfühlen – ein Glück auf körperlicher und seelischer Ebene

Das Wohlfühlglück ist schön und jedem ist so viel wie möglich davon zu gönnen. Es hält glückliche Augenblicke bereit, für die ein Mensch sich nicht nur offen halten kann, sondern die er vielmehr auch selbst präparieren kann. Für dieses Glück kann jeder viel tun: Die Situationen suchen, aufgrund derer sich das Leben lohnt und die sich jeden Tag finden lassen, wenn die Ansprüche nur niedrig gesetzt werden („Ich habe heute einige Katastrophen ausgelassen – es hätte schlimmer laufen können“). Es ist dafür nur wichtig zu wissen, was einem selbst und Anderen gut tut, um sich dann darum zu kümmern.

Es kommt aber darauf an, nicht das gesamte Leben mit einem einzigen Wohlfühlglück zu verwechseln, um dann bitter enttäuscht zu sein, wenn nicht alles jederzeit lustvoll ist und physische und psychische Schmerzfreiheit nicht erreicht werden kann..

Vor allem in der Liebe ist das ein Problem. Immer nur glücklich sein zu wollen mit dem Partner. Das Leben kann nicht ständig nur aus Wohlgefühl bestehen. Und auch nicht nur aus Zufriedenheit. Liebe ist das Fundament, aber unausweichliche Teile einer langbestehenden erfüllenden Partnerschaft sind zum Beispiel eine positive Einstellung, ähnliche Werte, Vertrauen, Respekt, Kommunikation.

Viele Menschen stellen sich unter Glück eine immerwährende Zufriedenheit vor. Große Leistungen der Menschheit gingen jedoch oft nicht aus Zufriedenheit hervor. Also wieso sollte man sich die Motivationsquelle der Unzufriedenheit verwehren?

Über das Wohlfühlglück hinaus gibt es wie oben erwähnt noch ein anderes: das Glück der Fülle, das Werteglück – die Eudaimonia. Das wirkliche Glück der Fülle besteht nicht darin, dass alles was man sich wünscht in Erfüllung geht, es war umfassender und dauerhafter gedacht. Etwa als das eigentlich philosophische Glück, welches nicht abhängig von bloßen Zufällen und momentanen Empfindungen ist, sondern vielmehr durch das gesamte Leben hindurch präsent ist. Und nicht nur ein Glücklichsein des Wohlfühlens ist, sondern eines, das paradoxerweise auch das Unglücklichsein noch mit umfassen kann. [11] [12]

Das Werteglück alleine ohne Wohlfühlglück würde einen jedoch genauso unzufrieden machen. Man kann menschliches Glück nicht alleine auf positive Emotionen reduzieren, es umfasst zwar Genuss, Wohlbefinden und angenehmen Gefühle (Wohlfühlglück), aber genauso auch persönliche Erfüllung und Zufriedenheit (Werteglück). [1] Würde man 80 Stunden in der Woche arbeiten, wäre dies zwar sehr sinnstiftend, aber man hätte keine Zeit mehr um dies zu genießen.

Die Magie der positiven Gefühle

Was macht uns Menschen glücklich? Was kann jeder selbst zu seinem eigenen Wohlbefinden beitragen?

Mit dem Gedanken an das Glücklichsein tauchen häufig Erinnerungen an Genussmomente auf: ein Spaziergang im Park, ein Besuch des Lieblingscafés, ein warmes Bad im Winter oder ein Abend mit den Liebsten. In solchen Momenten haben wir uns auf verschiedene Art und Weise gut gefühlt. [3]

Umgangssprachlich wird kaum zwischen Gefühlen und Emotionen unterschieden. Mit beiden sind alltagssprachliche charakteristische Erlebnisse von Personen gemeint. [13]

Ein Gefühl steht als subjektives Erleben einer Emotion. Laut dem dtv Wörterbuch zur Psychologie findet man darunter folgende Differenzierung: Die spürbar einsetzende Erlebnisweise und die von Kognitions- und Motivationserfahrungen abgehobene Erlebnisqualität von Emotion nennt man Gefühl. [14]

„Mit dem Begriff Emotion wird ein psychophysiologischer Vorgang bezeichnet, der auf unterschiedlichen Ebenen abläuft. Eine bereits erwähnte Ebene stellen die Gefühle dar, die bei einer Emotion erlebt werden. Hinzu kommen das nach außen sichtbare Verhalten, wie bspw. Gestik, Mimik und Körperhaltung und die im Innern ablaufenden begleitenden vegetativen und endokrinen Reaktionen“. [15]

Die Unterscheidung zwischen Gefühlen und Emotionen ist deshalb so wichtig, da Gefühle nur der kleine bewusste Teil der Emotionen sind. Gefühle entwickeln sich, während Emotionen angeboren sind. Mit Gefühlen bekommen Emotionen praktisch ein Gesicht, die größere Rolle spiele allerdings die Emotionen, die Gefühle sind nur Ausdrucksform.

„Glückliche Menschen …

- erleben regelmäßig positive Gefühle [...],

- haben eine positive Einstellung sich selbst gegenüber […],

- haben positive und vertrauensvolle Beziehungen zu anderen Menschen […],

- gehen in ihrer Tätigkeit auf, weil sie ihre Stärken einsetzen,

- erleben Sinn in ihrer Tätigkeit, da ihre Ziele mit ihren Werten zusammenpassen,

- handeln selbstbestimmt und entscheiden selbst, wofür sie Energie aufwenden,

- bewältigen Herausforderungen erfolgreich, indem sie die Möglichkeiten nutzen, welche die Umwelt bietet,

- sind offen für neue Erfahrungen und entwickeln sich weiter.“ [16]

Wichtig ist es allen Gefühlen eine Stimme zu geben, denn alle erfüllen einen Zeck und möchten letztlich nur eines und zwar Sie beschützen. [3]

Barbara Fredrickson, die führende Forscherin auf dem Gebiet der positiven Emotionen, stellt in Ihrem Buch Die Macht der positiven Gefühle folgende zehn positive Gefühle als zentralen Bestandteil unseres Wohlbefindens dar: Freude, Vergnügen, Inspiration, Interesse, Stolz, Gelassenheit, Staunen, Hoffnung, Dankbarkeit und Liebe. [17]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Glück aus Werteglück (eudaimonic happiness) und Wohlfühlglück (hedonic happiness) besteht. Beide sind unvermeidliche Komponenten eines gelingenden Lebens, das Werteglück als die persönliche Erfüllung und das Leben dessen was wichtig ist und das Wohlfühlglück als Zufriedenheit und ein regelmäßiges Erleben positiver Gefühle.

Um praktisch das Thema des Glücks noch mehr zu vertiefen, kann im Anschluss die Übung der Selbstreflexion durchgeführt werden.

Übung: Positiver Tagesrückblick*

Ziele: Vermehrtes Erleben positiver Gefühle, Veränderung der Wahrnehmung zum Positiven

Ein paar gute Gründe: Erhöhung des subjektiven Wohlbefindens, Verbesserung der Schlafqualität (vor allem, wenn die Übung abends durchgeführt wird), bewussteres Nacherleben positiver Erfahrungen, Unterstützung der Selbstwirksamkeit, wirksam bei Depression

Anleitung: Suchen Sie sich ein Notizbuch, man könnte es die „Anleitung zum individuellen Glücklichsein“ [18] oder „Glücksbuch“ [19] nennen.

Erinnern Sie sich an drei schöne Erlebnisse des Tages. In der Regel werden es kleinere Dinge sein, welche Ihnen einfallen Auch wenn sie Ihnen nicht allzu bedeutsam scheinen, am Wichtigsten ist es, dass Sie ein gutes Gefühl haben, wenn Sie daran denken.

Im zweiten Schritt überlegen Sie sich, was Sie dazu beigetragen haben, wodurch es schön wurde.

Es ist wichtig, dass Sie die Erlebnisse noch einmal durchleben und sich nicht nur daran erinnern. Je mehr Sie das Gefühl auf sich einwirken lassen, desto besser, denn dadurch wird Ihr Körper das Erlebnis erneut genauso freudig erfahren. Dies wirkt sich auf Ihr Gehirn aus und stärkt Ihren Fokus auf Positives.

Wenn Ihnen diese Übung wohl tut, können Sie sich diese Übung zur Gewohnheit machen und daraus ein Ritual entstehen lassen. Zudem haben Sie so eine Sammlung voller Glücksrezepte parat, auf welche Sie jederzeit zurückgreifen können.

Etablieren Sie dieses Ritual in Ihren Tagesablauf, werden Sie im Laufe der Zeit schon über den Tag hinweg Ihre eigenen Glücksmomente sammeln. Am Abend wird es Ihnen leichter fallen diese dann aufzuschreiben und Sie benötigen kaum zusätzlichen Aufwand.

Mit der Zeit haben Sie so eine Sammlung voller Glücksrezepte parat, auf welche Sie jederzeit zurückgreifen können. Etablieren Sie dieses Ritual in Ihren Tagesablauf, werden Sie im Laufe der Zeit schon über den Tag hinweg Ihre eigenen Glücksmomente sammeln. Am Abend wird es Ihnen leichter fallen diese dann aufzuschreiben und Sie benötigen kaum zusätzlichen Aufwand.

Quellen:

Zitat: Goethe, J. W. von. (1795). Wilhelm Meisters Lehrjahre (1. Auflage). s. e.

[1] Blickhan, D. (2015). Positive Psychologie—Ein Handbuch für die Praxis. Junfermann.

[2] Hausler, M. (2022). Glück aus den Augen der Wissenschaft. Glücksrezepte. https://www.gluecksrezepte.at/glueck/

[3] Hausler, M. (2019). Glückliche Kängurus springen höher Impulse aus Glücksforschung und Positiver Psychologie (1. Edition), S 75. Junfermann.

[4] Hausler, M. (2019). Glückliche Kängurus springen höher Impulse aus Glücksforschung und Positiver Psychologie (1. Edition). Junfermann.

[5] Blickhan, D. (2015). Positive Psychologie—Ein Handbuch für die Praxis, S. 32. Junfermann.

[6] Aristoteles. (1990), S. 207. Nikomachische Ethik.

[7] Hausler, M. (2019). Glückliche Kängurus springen höher Impulse aus Glücksforschung und Positiver Psychologie (1. Edition), S 79. Junfermann.

[8] Blickhan, D. (2015). Positive Psychologie—Ein Handbuch für die Praxis, S. 32. Junfermann.

[9] Aristoteles. (1990). Nikomachische Ethik.

[10] Bachmann, T. (2019). Der Hedonismus – Glücksethik und Lebenskunst. 18.

[11] GmbH, R. V. (2018, Januar 1). Rotary Magazin Artikel: Titelthema - Was ist Glück? https://rotary.de/gesellschaft/was-ist-glueck-a-11856.html

[12] Schmid, W. (2002). Der Ethikrat, Philosophische Hilfestellungen. Die Zeit. https://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za720/Ethik/Abituraufgabe_Ethik_2004.pdf

[13] Gennermann, K. (Dipl P. ). (2008). Noch einmal mit Gefühl. 37.

[14] Dtv Lexikon in 24 Bänden (Bd. 8). (2006). Deutscher Taschenbuchverlag.

[15] Gennermann, K. (Dipl P. ). (2008). Noch einmal mit Gefühl. 37, S.6.

[16] Hausler, M. (2019). Glückliche Kängurus springen höher Impulse aus Glücksforschung und Positiver Psychologie (1. Edition), S 23. Junfermann.

[17] Fredrickson, B. L. (2011). Die Macht der guten Gefühle: Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert. Campus.

[18] Hausler, M. (2022). Einfach gut fühlen. Glücksrezepte. https://www.gluecksrezepte.at/gluecksrezepte/einfach-gut-fuehlen/

[19] Hausler, M. (2019). Glückliche Kängurus springen höher Impulse aus Glücksforschung

und Positiver Psychologie (1. Edition), S. 26. Junfermann.

*Übung adaptiert nach Hausler (2019)


Tabea Straßer

Tabea ist Psychologiestudentin an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck. Ihr allgemeines Interesse für zwischenmenschlichen Beziehungen wurden durch ihren dreijährige Aufenthalt in Australien, die damit einhergehenden Wechsel von Komfortzonen, den kulturell unterschiedlichsten Begegnungen und der tiefen Selbsterfahrung beeinflusst. Sie erhofft sich in einer zukünftigen Praxis diese Passionen durch eine ganzheitliche und psychotherapeutische Kombination zu praktizieren.