Erfolgsgeheimnis Resilienz: Mit innerer Stärke zu mehr Wohlbefinden bei der Arbeit

Wenn [das] Leben überhaupt einen Sinn hat, muss auch Leiden einen Sinn haben. Es kommt nicht darauf an, was man leidet, sondern wie man es auf sich nimmt.

Viktor Frankl

Eine fesselnde und inspirierende Geschichte, die uns das Konzept der Resilienz auf beeindruckende Weise vor Augen führt, ist die Geschichte von Viktor Frankl, einem einflussreichen österreichischen Neurologen und Psychiater. Als junger Mann überlebte er den Holocaust des Zweiten Weltkriegs. Während seiner Gefangenschaft in Konzentrationslagern sah sich Frankl mit unvorstellbaren Grausamkeiten und menschenunwürdigen Bedingungen konfrontiert. Doch trotz des unvorstellbaren Leids, dem er ausgesetzt war, entwickelte Frankl eine bemerkenswerte innere Stärke und einen festen Glauben an die Bedeutung des Lebens.

Inmitten des Leidens und der Hoffnungslosigkeit entdeckte Frankl, dass der Schlüssel zur Resilienz in der Fähigkeit lag, einen Sinn im Leben zu finden, auch in den schwärzesten Stunden. Sein bewegendes Buch „... trotzdem Ja zum Leben sagen“ aus dem Jahr 1946 legt ein unvergleichliches Zeugnis darüber ab, dass Menschen selbst unter solchen entsetzlichen Umständen die Macht haben, ihre Einstellungen und Gedanken zu kontrollieren, um ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken, woraus Frankl eine ganz neue Therapierichtung entwickelte (Logotherapie und Existenzanalyse).

Was genau verstehen wir unter Resilienz?

Natürlich kommt Resilienz auch in weniger tragischen Situationen zum Ausdruck. Wir erfahren alle im Laufe unseres Lebens in unterschiedlicher Form und Schwere Rückschläge oder Grenzerfahrungen. Wenn es uns jedoch gelingt, mit belastenden Lebensumständen und negativen Stressfolgen erfolgreich umzugehen, dann spricht man von Resilienz [2,9]. Aus dem Englischen übersetzt man „resilience“ mit „Spannkraft, Widerstandsfähigkeit und Elastizität“ von Materialien, was im übertragenden Sinne meint, dass Menschen Irritationen und Krafteinwirkungen überstehen und dennoch in die eigene ursprüngliche Form zurückkehren [8]. Resiliente Menschen sind gesünder, zuversichtlicher und lernen aus ihren Fehlern [1]. Sie werten stressige Situationen eher als Herausforderung und verhalten sich in schwierigen Situationen flexibler [1].

resilienz

Es handelt sich dabei nicht um eine grundlegende angeborene Eigenschaft von Menschen, sondern um einen Prozess, basierend auf Erfahrungen, Veranlagung und Kontext [2,7]. Die entsprechenden Fähigkeiten können wir jedoch auch bewusst erlernen und entwickeln, man spricht hier auch von den sogenannten „life skills“ [2].

Exkurs: Life-Skills

Diese zehn Lebenskompetenzen („life skills“) umfassen Faktoren wie [1,2]:

  • Selbstwahrnehmung: Hierunter versteht man die ganzheitliche und angemessene Wahrnehmung der eigenen Emotionen und Gedanken.
  • Selbstwirksamkeit: Um selbstwirksam zu sein, ist es wichtig, ein hohes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu haben und dementsprechend überzeugt zu sein, eigene Ziele trotz Hindernissen erreichen zu können.
  • Selbstregulation: Selbstregulation ist die Fähigkeit, in Situationen angemessen und flexibel zu reagieren. Das bedeutet, dass Emotionen je nach Anforderung hoch- oder runter reguliert werden können.
  • Soziale Unterstützung: Hierbei handelt es sich um einen sehr wichtigen Faktor, welcher den Einfluss vieler Risikofaktoren mildern kann. Wichtig ist dabei Stabilität, Wertschätzung und emotionale Nähe.
  • Problemlösefähigkeiten: Diese Fähigkeit beschreibt, wie gut komplexe und nicht eindeutig lösbare Sachverhalte wahrgenommen werden. Wichtig ist es hier zum Beispiel, auf vorhandenes Wissen zurückzugreifen, um daraus neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln und erfolgreich umzusetzen.
  • Stressbewältigung: Stress tritt immer dann auf, wenn unsere Fähigkeiten stark beansprucht oder überstiegen werden. Bewältigt wird Stress am besten durch Strategien, wie zum Beispiel das Sammeln von Informationen, das Einholen von Unterstützung oder die direkte Auseinandersetzung mit dem Problem.
  • Optimismus, Sinn und Ziele: Abschließend ist es grundlegend sehr fördernd für das Wohlbefinden und die seelische Gesundheit, persönliche Ziele und eine eigene Sinngebung zu entwickeln. Dies gilt sowohl für das junge als auch für das hohe Erwachsenenalter. Ebenso wichtig ist hierbei das flexible Anpassen der persönlichen Ziele an die Realität, wenn dies notwendig sein sollte.

Das Leben wird nicht leichter oder verzeihender, wir werden stärker und widerstandsfähiger.

Steve Maraboli

Wozu brauchen wir Resilienz?

Rund ein Drittel aller Erwachsenen weltweit leiden im Laufe ihres Lebens unter psychischen Erkrankungen [5]. Stress, welcher infolge belastender Lebensereignisse auftritt, ist dabei einer der häufigsten vermuteten Auslöser [5].

Angesichts der zunehmenden Arbeitsflexibilisierung und den damit verbundenen wachsenden Anforderungen sowie den immer kürzeren Erholungszeiten im täglichen Leben ist es nicht überraschend, dass viele Menschen eine Zunahme von Stress empfinden [5]. Dies könnte wiederrum in der Zukunft zu einem erhöhten Risiko für stressbedingte Folgeerkrankungen [5].

Im Folgenden sehen Sie eine Checkliste möglicher Warnsignale für stressige Situationen nach dem Stressmodell von J. P. Henry [4].

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Wie können wir Resilienz entwickeln und trainieren?

Das Gute an Resilienz ist: Sie können sie erlernen. Resilienz ist als Fähigkeit nicht über das gesamte Leben stabil, sie variiert je nach Person und Lebensbereich [2]. Dementsprechend kann Resilienz auch trainiert werden. Ideen, wie genau Sie sich selbst zu mehr Widerstandskraft verhelfen, finden sie im Rahmen der folgenden "Glücksrezepte".

Was stresst Sie? [3]

Zum einen hilft es natürlich, genauer darüber nachzudenken, was genau uns überhaupt stresst. Überlegen Sie für sich selbst, welche Situationen bei Ihnen viel oder regelmäßig ein Stressgefühl auslösen und notieren Sie diese. Dabei kann es sich um alle möglichen Stressoren handeln: Beruf, Familie, Partnerschaft, Zeitdruck und viele mehr.

Regelmäßige Stressoren sind bei mir: ……………………………………………………………………………………………………………………………………………….……………………………

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Geschlossene Türen können andere öffnen [1]

Unter dem Stichwort „Optimismus“ ist es weiterhin sehr förderlich, auch aus Misserfolgen oder Rückschlägen einen Mehrwert zu ziehen. Optimismus bedeutet natürlich nicht, alles immer nur durch die „rosa-rote Brille“ zu sehen. Jedoch sollten wir versuchen, positive Aspekte zu erkennen, auch wenn eine Situation vorerst ausschließlich negativ auf uns wirkt. Vielleicht fallen Ihnen ja Situationen ein, in welchen sich „eine wichtige Tür bei Ihnen schloss“, in welcher Sie also einen Misserfolg erlebt haben? Überlegen Sie sich, ob es eine andere Tür gab, welche sich vielleicht nur durch diesen anfänglichen Misserfolg erst öffnen konnte!

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Fördern Sie Ihr Wohlfühlglück! [1]

Wichtig ist es darüber hinaus jedoch auch, die Zeit, in der wir nicht gestresst sind, auch wirkich wertzuschätzen. Man spricht hier auch von „Savouring“ also dem „Genießen“. Hierbei ist es das Ziel, durch Gedanken und Handlungen positive Erfahrung bewusst wertzuschätzen oder sogar zu intensivieren. Das Genießen kann dabei sowohl auf die Gegenwart, als auch auf die Vergangenheit oder Zukunft beziehen.

  • Vergangenheit: Erinnern Sie sich an einen schönen Moment oder ein besonderes Gefühl und versuchen Sie, sich erneut in diese frühere Situation hineinzuversetzen.

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  • Gegenwart: Seien Sie wertschätzend im Hier und Jetzt, indem Sie versuchen, jeden Abend so viele Dinge wie möglich zu notieren, welche im Laufe des Tages positive Gefühle bei Ihnen ausgelöst haben.

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  • Zukunft: Vielleicht gibt es ja etwas, worauf Sie sich in der Zukunft besonders freuen? Wie sagt man so schön? „Vorfreude ist die schönste Freude!“

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Bringen Sie Ihre Eisberge zum schmelzen! [6]

Oft findet sich der Ursprung von Stress in unseren eigenen Denkweisen. Man spricht hier auch von „Eisbergen“, welche zum Schmelzen gebracht werden müssen. Eisberge sind kontraproduktive Denkhaltungen [3,6], die wir uns irgendwann einmal angeeignet haben und die seitdem unser Empfinden und Handeln unbewusst steuern. Von „Eisbergen“ spricht man, weil diese Metapher verdeutlicht, dass der Großteil unseres Bewusstseins verborgen ist und nur eine kleine Spitze sichtbar und zugänglich erscheint [3]. Der Teil des Eisberges, der in den Tiefen des Meeres verborgen liegt, steht also sinnbildlich für unsere erlernten unbewussten Denkmuster oder Glaubenssätze [3]. Diese müssen natürlich nicht grundsätzlich negativ sein, sie erleichtern uns im Alltag Entscheidungen und sparen Energie [3]. Sie können jedoch auch für ein erhöhtes Stresserleben sorgen. Beispiele für solch stressgenerierende Denkweisen sind [6]:

  • „Wenn du willst, dass es gut wird, musst du es selber machen.“
  • „Ich muss dafür sorgen, dass es allen Menschen gut geht!“
  • „Ich bin einfach nicht gut genug dafür.“
  • „Das Leben muss immer Spaß machen.“
  • „Es muss perfekt sein!“

Wichtig ist es dabei zu allererst, „Eisberge“ – die positiven wie die negativen- als solche zu erkennen, denn erst dann können sie gegebenenfalls auch wirklich zum schmelzen gebracht werden.

Versuchen Sie also doch einmal mithilfe des Übungskastens, auf solche Denkweisen bei sich selbst zu achten und fühlen Sie in sich hinein, was diese bei Ihnen auslösen.

Vielleicht gibt es ja bestimmte Stresssituationen, welche ähnliche Gefühle auslösen. Welches unbewusste Denkschema könnte hier ursächlich sein und welches Bedürfnis steckt dahinter? Im Anschluss können Sie überlegen, welche positiven Möglichkeiten es gibt, des Stress zu vermindern. [3]

In diesen Momenten zeigen sich bei mir starke emotionale Reaktionen (von „0 auf 180“) ……………………………………………………………………………………………………………………………………………….……………………………

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In diesen Situationen empfinde ich folgende Gefühle:

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Ich erkenne zwischen diesen Situationen gewisse Gemeinsamkeiten:

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Ich spüre in diesen Situationen das Bedürfnis, ……………………………………………………………………………………………………………………………………………….……………………………

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Dieses Bedürfnis könnte ich alternativ befriedigen, indem...

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Notieren Sie anschließend einige „Eisberge“, von welchen Sie das Gefühl haben, dass diese Ihnen den Alltag erleichtern. Beispiele hierfür sind [3]:

  • „Wenn ich meine Stärken einsetze, erreiche ich meine Ziele mit Leichtigkeit.“
  • „Ich habe die freie Entscheidung, womit ich in meinem Leben die meiste Zeit verbringe.“
  • „Es gibt Menschen, die mich so lieben, wie ich bin.“

Ich mich sicher und geborgen, wenn...

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Ich empfinde ein Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung, wenn...

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Besonders kompetent und stark fühle ich mich, wenn...

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Abschließend reflektieren Sie noch einmal Folgendes [3]:

Meine negativen „Eisberge“ sind: ……………………………………………………………………………………………………………………………………………….……………………………

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Meine positiven „Eisberge“ sind: ……………………………………………………………………………………………………………………………………………….……………………………

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Zusammenfassung

Jeder Mensch hat im Laufe seines Lebens Rückschläge oder Krisensituationen erlebt. Resilienz lässt uns Situationen erfolgreicher verkraften. Sie hilft uns, in stressigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren und in Krisen das Positive zu sehen.

Wenn Sie das Gefühl haben, mit einer Situation nicht fertigzuwerden, dann versuchen Sie - so schwer es zu Beginn auch scheint - Ihre Resilienz Schritt für Schritt zu stärken. Sie wird Ihnen in Ihrem Leben viele Dinge erleichtern und über die Zeit für mehr Wohlbefinden sorgen.

Quellen

[1] Bergheim, S. (2021). Resilienza Mia : Entwicklung, Durchführung und Evaluation eines für Studierende konzipierten Resilienztrainings. Masterarbeit, Universität Innsbruck.

[2] Fröhlich-Gildhoff, K. & Rönnau-Böse, M. (2019). Resilienz (5. aktualisierte Auflage). München: Ernst Reinhardt Verlag. https://doi.org/10.36198/9783838552064

[3] Hausler, M. (2019). Glückliche Kängurus springen höher: Impulse aus Glücksforschung und Positiver Psychologie. Paderborn: Junfermann.

[4] Horn, S. & Seth, M. (2013). Resilienz im Job. Stressfrei, gerne und erfolgreich arbeiten. Freiburg: Kreuz.

[5] Lieb, K. & Kunzler, A. M. (2018). Resilienz. Nervenarzt, 89(7), 745-746. https://doi.org/10.1007/s00115-018-0543-z

[6] Mourlane, D. (2013). Resilienz. Die unentdeckte Fähigkeit der wirklich Erfolgreichen. Business Village: Göttingen.

[7] Schmidt, K. (2020). Resilienz. Osteopathische Medizin, 21(2), 38-38. https://doi.org/10.1016/S1615-9071(20)30055-1

[8] Wellensiek, S. (2017). Handbuch Resilienztraining. Widerstandskraft und Flexibilität für Unternehmen und Mitarbeiter (2. Auflage). Basel: Beltz.

[9] Wustmann, C. (2004). Resilienz: Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern. Basel: Beltz.

Zitat Viktor Frankl: https://www.die-inkognito-philosophin.de/frankl-zitate [Abgerufen am 07.08.2023]

Zitat Steve Maraboli: https://blog.empuls.io/de/resilience-quotes/ [Abgerufen am 07.08.2023]


Debby Wettengl

Debby ist Psychologiestudentin im Master an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck. Ihr Interesse gilt vor allem dem interdisziplinären Ansatz aus klinischer Psychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie. Menschen dabei zu helfen, im beruflichen und privaten Alltag Gleichgewicht und Zufriedenheit zu finden, ist ihr größtes Ziel.